Jeder von uns nimmt täglich Plastik zu sich - in Form winziger Partikel
Wir trinken, essen und atmen Plastik ein
Und das ist schlecht für unsere Gesundheit
von Uschi Jonas
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Heute schon Wasser getrunken? Dann habt ihr eurer Gesundheit keinen Gefallen getan.
Denn in unserem Trinkwasser ist Plastik. Nicht sichtbar, sondern in Form winziger Partikel.
2014 hat das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz ein umfangreiches Forschungsprojekt gestartet, um die Mikroplastik-Belastung in bayerischen Flüssen und Seen sowie mögliche Auswirkungen zu untersuchen.
Und die ersten Zwischenergebnisse zeigen jetzt: In der Altmühl, dem Inn, der Isar und der Donau wurden im Durchschnitt 30 bis 70 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter Wasser festgestellt.
Forscher untersuchen immer wieder das Wasser auf der ganzen Welt. Laut einer Studie der Nichtregierungsorganisation “Orb Media” in Zusammenarbeit mit Forschern der University of Minnesota sollen 83 Prozent des weltweiten Trinkwassers ist mit Mikroplastik belastet. In Europa sind es demnach durchschnittlich 72 Prozent, in den USA 94.
Wir essen, trinken und atmen Plastik ein
Auch wenn die Methoden der Studie von “Orb Media” in der Kritik standen, steht eines fest: Plastik ist nahezu überall. Und, ohne es zu merken, essen wir es, trinken es und atmen es ein. Nicht nur in Trinkwasser wurde Plastik nachgewiesen, sondern auch in Honig. Und auch Meerestiere, vor allen Dingen Austern, Muscheln und Krebstiere, sind mit Plastik belastet.
Und gelangen die winzigen Partikel in den menschlichen Körper, kann das unsere Gesundheit gefährden.
Mikroplastik, sprich winzige Kunststoffteile, die kleiner als fünf Millimeter sind, ist überall in unserem Alltag. Es wird in zahlreichen Produkten wie Shampoo, Zahnpasta, Cremes oder Waschmitteln als Binde-, Schleifmittel und Füllstoff und Weichmacher verarbeitet und gelangt so ins Abwasser, das später zu Trinkwasser wird.
Beim Tragen einer Polyester- oder Fleecejacke und über den Abrieb von Autoreifen verteilen sich Plastikpartikel in der Luft, die wir einatmen.
“Mikroplastik findet sich in allen Elementen – Erde, Wasser, Luft – außer im Feuer”, sagt Maria Leidemann, Umweltberaterin beim Bayerischen Verbraucherservice, der HuffPost.
Forscher beginnen erst, die gesundheitlichen Folgen von Mikroplastik zu untersuchen
Auch durch Plastikmüll, der sich in den Weltmeeren abreibt, entsteht Mikroplastik. Eine Plastikflasche beispielsweise benötigt rund 450 Jahre, bis sie vollständig zersetzt ist. In der Zwischenzeit lösen sich winzige Plastikteilchen aus ihr, die sich in den Gewässern der Welt verbreiten. So nehmen Meerestiere das Mikroplastik aus dem Abwasser und das von zersetztem Müll mit der Nahrung auf. Und die landen auch auf unseren Tellern.
Forscher beginnen gerade erst, die Folgen dieser Plastik-Emissionen für die menschliche Gesundheit zu erforschen.
Auch wenn das Risiko vor allem von der Konzentration von Plastik im Körper abhängt und das bislang wenig erforscht bleibt, sind die ersten Ergebnisse nicht ermutigend.
Besonders problematisch sind die sogenannten Phtalate, sprich Weichmacher, die in zahlreichen Kosmetika und Putzmitteln enthalten sind, und Bisphenol A (BPA), das Plastik härter und haltbarer macht. So hat beispielsweise das Institut für Risikobewertung (IfR) BPA untersucht und als nicht gefährlich eingeschätzt - solange gewisse Grenzwerte eingehalten werden. Nur kann bislang niemand abschätzen, wie viel Plastik wir über die Umwelt zu uns nehmen – ob die Grenzwerte also eingehalten werden.
Risiken für Fortpflanzung, Immunsystem, Stoffwechsel, Gehirn und Allergien
Auch schreibt das IfR, dass BPA grundsätzlich gesundheitliche Gefahren für Fortpflanzung, den Stoffwechsel, das Immunsystem sowie neurologische Funktionen haben kann. Zudem hat die Analyse des Instituts ergeben, dass BPA unterschiedlich schnell abgebaut wird, je nachdem, ob es von uns beispielsweise über die Nahrung oder aber über die Atmung aufgenommen wird.
Sicher ist auch: BPA ist sehr gut fettlöslich. Über die Haut, über Nahrung aber auch über Hausstaub und die Atmung gelangt die Chemikalie in unseren Körper.
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Und auch Weichmacher sind nicht fest gebunden. Sie können verdampfen, ausgewaschen oder abgerieben werden. Eine Arbeitsgruppe der Europäischen Union hat Weichmacher als fruchtbarkeitsschädigend eingestuft.
Auch stehen Weichmacher im Verdacht Asthma, Krebs, Allergien, Funktionsstörungen im Gehirn zu fördern. Damit haben sich beispielsweise Forscher der University of California und des Umweltbundesamts auseinandergesetzt. Fast bei jedem Menschen sind Weichmacher oder ihre Abbauprodukte im Blut und/oder im Urin nachweisbar, sagt das Umweltbundesamt.
Gefährlich sind nicht aber nur die Plastikpartikel an sich, sondern auch Giftstoffe, die sich an sie heften. “Wir wissen, dass unterschiedliche chemische Stoffe an Mikroplastikpartikeln anhaften können”, sagt Henning Hintzsche von der European Food Safety Authority (EFSA) der HuffPost. Wissenschaftler vermuten, dass kleine Plastikteilchen gefährliche Umweltgifte wie DDT oder PCB wie “ein Schwamm aufsaugen”.
“Dass Mikroplastik aus ökologischer Sicht ein Problem ist, wissen wir schon lange”, sagt Hans-Peter Hutter, Professor am Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien, der HuffPost. Aber genauso klar ist für ihn, dass Mikroplastik auch unseren Körper schädigen kann. Auch wenn das genaue Ausmaß noch nicht feststehe, sei eines klar: “Unsere Gesundheit wird dadurch nicht gefördert.”
Wir müssen aufhören, Plastik zu produzieren und zu nutzen
Wenn Plastik überall ist, scheint die Lage ausweglos. Aber es gibt Wege, den Partikeln zu entkommen. Immerhin haben einige deutsche Hersteller inzwischen doch beschlossen, Mikroplastik aus ihren Produkten zu verbannen. In Zahnpasta deutscher Hersteller kommt es inzwischen kaum mehr vor. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat eine Liste erstellt, die hilft, Kosmetika mit Mikroplastik zu vermeiden.
Schwedische Forscher haben zudem einen Weg gefunden, wie Plastik in der Natur schneller abgebaut werden kann. Mithilfe von bestimmten Drähten, die in Abwasserleitungen und Kläranlagen installiert werden, wollen sie Plastik zersetzen, schon bevor es bis in die Weltmeere gelangt.
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Fest steht: Mit der Abhängigkeit von Plastik haben wir die Büchse der Pandora geöffnet. Und die wieder zu schließen, ist verdammt schwer.
Aber am Ende gäbe es doch eine ganz einfache Lösung für das Problem, wenn auch eine unwahrscheinliche: Die Menschen müssten aufhören, Plastik zu produzieren und zu nutzen. Täten sie das jetzt, wäre unsere Welt in 500 Jahren vielleicht kunststofffrei, vermuten Wissenschaftler.
Bis dahin und wahrscheinlich noch länger werden die Menschen mit der Gewissheit leben müssen, dass Plastik nicht nur ganz offensichtlich in Plastikflaschen und Plastiktüten steckt. Sondern auch unsichtbar sein kann. Und überall.