Kann man Rauchen, ohne der Gesundheit zu schaden? An dieser Frage forscht der Tabakkonzern Philip Morris seit Jahren und wirbt jetzt mit „Iqos“ als Alternative zur Zigarette. Ein Erfahrungsbericht unter Volldampf.
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Die Gesichter der tanzenden Gestalten erkennt man kaum. Die Kneipe ist vernebelt. Das Atmen fällt schwer. Obwohl die Zigarette 2007 mit dem Rauchverbot aus deutschen Gaststätten verbannt wurde, ist das Rauchen in meiner Lieblingskneipe noch erlaubt. Am nächsten Morgen ist der blaue Dunst in die Kleidung eingezogen wie Wasser in einen Schwamm. Es riecht nach kaltem Aschenbecher.
Jährlich sterben Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens
Weltweit sterben pro Jahr sieben Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens. Das berichtet die „Weltgesundheitsorganisation“. Anders ausgedrückt: Während du diesen Text hier eine Minute gelesen hast, haben Zigaretten irgendwo auf dieser Welt 13 Menschen getötet. Seit Jahren suchen Forscher nach Methoden, diese schreckliche Zahl einzudämmen.
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Eine Möglichkeit: E-Zigaretten. Sie werden in Deutschland immer beliebter, laut Verband des eZigarettenhandels (VdeH) ist die Zahl der Dampfer 2016 auf 3,5 Millionen gestiegen.
Weniger überzeugt von den angeblichen Vorteilen des elektronischen Rauchens ist das Aktionsbündnis Nichtrauchen: „E-Zigaretten sind gesundheitlich bedenklich: Mit jedem Zug inhaliert der Konsument ein Chemikaliengemisch aus Propylenglykol und/oder Glyzerin, Aromen und zumeist Nikotin.“ Daher könne, „insbesondere bei hohem Dauerkonsum, eine Krebsgefährdung nicht ausgeschlossen werden“.
Wer in diesen Tagen durch deutsche Innenstädte stiefelt, kommt ständig an Werbesäulen vorbei, die einem sogenannte „Heat-not-Burn“-Produkte und damit eine neue Form des Rauchens versprechen: Sie erhitzen den Tabak auf ungefähr 300 Grad, statt ihn wie bei einer normalen Zigarette bei 800 Grad zu verbrennen. Tabakkonzerne wie Philip Morris International oder British American Tobacco wollen diese neue Art zu paffen mit ihren Produkten „Iqos“ und „Glo“ etablieren.
Philip Morris (Marlboro) investiert fast 290 Millionen Euro in die Produktion von Iqos-Zigaretten in Dresden
Vor allem Philip Morris steht vor einem gewaltigen Umbruch. „Wir wollen langfristig alle klassischen Zigaretten durch weniger schädliche Alternativen ersetzen“, kündigte der Europachef Fred de Wilde in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ an. Er setze vor allem auf die E-Zigarette, bei der der Tabak nicht verbrannt, sondern hoch erhitzt wird.
In den vergangenen zehn Jahren hat der Konzern, der für Marken wie „Marlboro“ oder „Chesterfield“ bekannt ist, drei Milliarden US-Dollar in die Forschung investiert und 400 Wissenschaftler aus aller Welt eingestellt.
In Dresden investiert Philip Morris 320 Millionen US-Dollar (knapp 290 Millionen Euro) in den Bau einer neuen Fabrik. Dort sollen dort ab 2019 rund 500 Beschäftigte Tabaksticks für das elektrische Tabakerhitzersystem Iqos produzieren.
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Der Konzern will seine Kapazitäten für die Tabaksticks der E-Zigarette bis Ende kommenden Jahres auf jährlich 100 Milliarden Stück hochfahren. Zum Vergleich: Von den klassischen Zigaretten verkauft Philip Morris heute noch etwa 800 Milliarden Stück jährlich. Das entspricht 106 Kippen für jeden Menschen auf der Erde.
Aber taugen die Tabakerhitzer als Zigarettenersatz? Ich rauche seit drei Jahren Zigaretten. Und habe Iqos getestet.
Sind „Heat-not-Burn“-Zigaretten wie Iqos gesünder?
Durch das Erhitzen auf 300 Grad entsteht kein Rauch, sondern Dampf. Darin sollen laut Herstellerangaben deutlich weniger Schadstoffe enthalten sein als im herkömmlichen Zigarettenrauch.
Für Philip Morris ist das die beste Alternative für Erwachsene, die selbst mit Hilfe von Nikotinkaugummis und -pflastern einfach nicht ihre Finger vom Glimmstängel lassen können. Denn einerseits wird das gesundheitliche Risiko minimiert, andererseits soll es sich für die Raucher trotzdem anfühlen wie der Zug an einer brennenden Zigarette.
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Genau da nämlich liegt der Nachteil bei Kaugummis und Pflastern. Ich kenne viele Raucher, die locker auf das Nikotin verzichten könnten. Doch mit der Zeit wird das Qualmen zum Ritual. Morgens zum Kaffee, im Club mit den Freunden oder ganz klischeehaft nach dem Sex. So traurig es klingt: Damit aufzuhören ist, als schließe man mit einem Hobby ab.
Lungenarzt über Iqos: „todsicher süchtig machendes Genussmittel“
Welche gesundheitlichen Vorteile Iqos und Co. aber wirklich gegenüber der Zigarette haben, ist nicht abschließend geklärt. Dazu bräuchte es Langzeitstudien, die es so kurz nach der Markteinführung im Juni 2016 natürlich noch nicht gibt.
Eine der ersten klinischen Studien bestätigt immerhin, dass die Schadstoffkonzentration in Blut und Urin der Raucher, die auf Iqos umgestiegen sind, vergleichbar mit den Werten der Konsumenten ist, die vollständig mit dem Rauchen aufgehört haben.
Der Dortmunder Lungenarzt Ronald Doepner hält dennoch nichts von den Tabakerhitzern. Er sieht sie bloß als einen weiteren Schritt auf der Suche nach „einem schnell und todsicher süchtig machenden Genussmittel, welches zukünftige Märkte für die schrumpfende, milliardenschwere Tabakindusrie sichern soll.“
Immerhin enthalten die Tabaksticks, die in den Erhitzer gesteckt werden (bei Iqos heißen sie „Heets“), ebenso viel Nikotin wie eine normale Zigarette. Und Nikotin macht nicht nur süchtig, sondern ist in hohen Dosen auch giftig.
Aus diesem Grund betont ein Sprecher von Philip Morris auf meine Anfrage auch immer wieder, dass ihre Zielgruppe für die Produkte erwachsene Raucher sind, die andernfalls weiterrauchen würden. Iqos solle keinesfalls zum Rauchen verleiten.
Iqos von Philip Morris im Test
Als ich mein Paket mit dem Iqos-Set von der Post abhole, bin ich etwas aufgeregt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tabakdampf auch nur annähernd so befriedigend ist wie echter Rauch. Von der quadratischen Pappschachtel starrt mich ein blau-grüner Kolibri manisch an. Was auch immer der mit dem Rauchen zu tun hat…
Doch von der Optik des Geräts bin ich positiv überrascht. Die Ladestation (Charger) für den Erhitzer (Holder) ist nicht größer als ein Nokia 3310. Sie wirkt edel. Mattweiß mit goldenen Details. Ebenso wie der Erhitzer selbst, der in seiner Form einer Zigarette nachempfunden ist. Bloß etwas länger und dicker.
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Bei Philip Morris wurde mir schon vorher geraten, das Gerät nicht ohne die Gebrauchsanweisung in Betrieb zu nehmen. Also dann: Zuerst muss ich den Erhitzer aufladen. Dazu stecke ich ihn in den Charger und drücke die Power-Taste. So weit, so gut.
Tabaksticks produzieren keine Asche, die Hände stinken nicht
Jetzt heißt es, fünf Minuten warten. Das gilt nach jedem Rauchen. Anschließend kann ich die Heets auf den Halter stecken. Zwanzig Stück kosten sechs Euro. Doch nicht nur im Preis ähneln sie den Standardzigaretten. Die kleinen Tabakstäbe sehen aus wie gewöhnliche Zigaretten im Miniformat. Sie sind nicht länger als drei Zentimeter.
Ich schalte das Stäbchen an und warte, bis das grüne Licht aufhört zu blinken. Jetzt ist die erforderliche Temperatur erreicht. Sechs Minuten oder 14 Züge lang kann ich nun an dem Filter ziehen. Der Tabakdampf schmeckt herb, etwas nussig.
Der Dampf strömt in meine Lunge. Er ist leichter als der Rauch einer Zigarette. Ich persönlich empfinde auch den Geruch als angenehmer, doch das ist Ansichtssache. Meine Freunde sagen, es riecht nach erkalteter Asche.
Dabei ist genau das einer der Vorteile von „Heat-Not-Burn“-Produkten: Sie produzieren keine Asche. Da man den Filter selbst nicht berührt, stinken auch die Hände nach dem Rauchen nicht. Genauso wenig wie die Klamotten oder Haare, denn der Dampf setzt sich nicht so aggressiv darin fest. Das mussten auch meine Freunde gestehen, die das ganze doch eher skeptisch betrachten.
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Für Nichtraucher ist das sicher toll. Schon oft habe ich mitbekommen, wie sie vor dem Rauchgestank die Nase rümpften, wenn sich die Freunde nach der Raucherpause wieder zu ihnen gesellen. Allerdings birgt das die Gefahr, mehr zu paffen.
Ohne Asche und ohne bleibenden Geruch muss ich nicht zwingend vor die Tür und kann quasi beim Fernsehen auf der Couch am Filter saugen. Dadurch, dass ich nur eine begrenzte Zeit für den Tabakgenuss habe, bin ich außerdem gestresster als beim Rauchen.
Während des Tests von Iqos habe ich mich das ein oder andere Mal bei dem Gedanken erwischt, direkt im Anschluss einen weiteren Heet-Stick einzusetzen. Davon abgehalten haben mich nur die fünf Minuten Ladezeit und mein schwaches Gedächtnis.
Wie viel Umsatz macht Philip Morris mit Tabakerhitzern wie Iqos?
Mal ehrlich: Eigentlich schadet sich Philip Morris selbst, indem es das Ende der Zigaretten-Ära einläutet. Schließlich vertreibt die Firma auch die Zigaretten-Marken Marlboro, L&M und Chesterfield. Sie macht Konkurrenz zum eigenen Produkt.
Doch der Konzern sieht sich wohl gezwungen, mit der Zeit zu gehen. Die Deutschen rauchen von Jahr zu Jahr weniger.
Ich glaube, dass schon bald der Zeitpunkt kommen wird, an dem wir das Ende der Zigaretten-Ära einläuten – André Calantzopoulos, Konzernchef von Philip Morris
Mittlerweile vertreiben jenseits der exklusiven Iqos-Boutiqen und der Webseite 1.000 Tabakfachgeschäfte und Tankstellen in ganz Deutschland den Tabakerhitzer. Die Heets werden in mehr als 15.000 Anlaufstellen verkauft. Weltweit kauften bis Ende September 3,7 Millionen Menschen das Dampf-Set. Iqos trägt bereits mehr als ein Zehntel zum Konzernumsatz bei.
So erfreulich das für Philip Morris ist, so ärgerlich ist es für den Staat. Denn die Heets werden als Pfeifentabak versteuert – also nur ein Viertel so hoch wie normale Zigaretten. Diese Einordnung bedeutet auch, dass auf den Packungen für die Heets zwar die mahnenden Worte „Rauchen kann tödlich sein“, nicht aber die ekelerregenden Schockbilder abgebildet sein müssen.
Fazit: Lohnen sich die 99 Euro für das Iqos-Starter Kit?
Viele meiner Bekannten haben sich schon von den riesigen Iqos-Werbetafeln an jeder Ecke überzeugen lassen. Mit 99 Euro ist das Iqos-Set aber nicht ganz günstig. Auch am Tabak spart man nichts. Doch für Raucher, die es nicht schaffen aufzuhören, oder es schlichtweg nicht wollen, ist ein Tabakerhitzer eine gute Investition in die eigene Gesundheit.
Welche gesundheitlichen Folgen auf lange Sicht daraus entstehen, ist noch nicht geklärt. Doch die kurzfristigen Vorzüge der „Heat-not-Burn“-Produkte (weniger Schadstoffe, Geruch, keine Asche) sprechen für sich. Man darf die Geräte jedoch nicht missverstehen.
Sie eignen sich nicht, um sich das Rauchen abzugewöhnen. Im Gegenteil. Sollte sich herausstellen, dass ich durch Iqos tatsächlich mehr rauche, werde ich das Gerät schnell in den Keller verbannen.