Eine aktuelle Studie zeigt: Über 6 Millionen Menschen in Deutschland droht die Stromabschaltung
Besonders Geringverdiener und Familien mit Kindern sind davon betroffen
2016 saßen 328.000 Bürger im Dunkeln
von Julius Zimmer
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Ob in den Fußgängerzonen, den Weihnachtsmärkten oder unseren Wohnzimmern: Die Weihnachtszeit ist die Zeit der Lichter. Überall glüht und leuchtet es.
Doch für Millionen Deutsche ist das scheinbar keine Selbstverständlichkeit. Denn nach Angaben der Bundesnetzagentur drohten 2016 mehr als sechs Millionen Deutschen die Stromabschaltung. 328.000 Menschen saßen im selben Jahr wortwörtlich im Dunkeln. Dieses Jahr könnte es wieder so sein.
Menschen mit geringer Bildung und Alleinerziehende trifft es besonders häufig
Kommt es tatsächlich soweit, wird es für die Betroffenen richtig ungemütlich: Der Strom für den Haushalt wird komplett abgestellt und der Stromzähler verplombt; kochen, telefonieren, im Internet surfen, Musik hören? Keine Chance.
Aktuell hieße das: Kein “Last Christmas” von Wham aus den Lautsprecherboxen, keine Episode von Loriot im Fernseher und auch keine Weihnachtsgrüße an Oma, die 600 Kilometer entfernt wohnt.
►Besonders alarmierend: Gerade Hartz-IV-Empfänger und Familien mit Kindern sind häufig von einem derartigen Blackout betroffen.
Droht eine Abschaltung, können das vor allem Alleinstehenden und Menschen mit geringer Bildung oft nicht verhindern.
Das geht aus einer Studie hervor, die der Deutsche Caritas Verbund zusammen mit dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) diese Woche veröffentlichte.
"Beschämend für Deutschland"
“Wenn Menschen der Strom abgestellt wird, ist das beschämend in einem reichen Land wie dem unseren“, erklärt Caritas-Präsident Peter Neher anlässlich der an diesem Montag herausgegebenen Studie “Ursachen von Stromsperren in Privathaushalten“.
Demnach seien Sperrandrohungen und Stromsperren besonders wahrscheinlich, wenn betroffene Haushalte bereits anderweitig Schulden angehäuft haben - beispielsweise durch Kreditkäufe von Elektrogeräten, Autos, Möbel oder Mietschulden.
Doch wie kommt es überhaupt so weit?
“Bei Hartz-IV-Empfängern ist unter anderem die fixe Pauschale für Strom und Wasser bei den Bezügen ein großes Problem”, erklärt Martin Jasper der HuffPost. Er arbeitet als Energieberater bei der Caritas und hat häufig mit Menschen zu tun, die mit der letzten Mahnung vor ihm stehen und nicht mehr weiter wissen.
“Die Preise für Strom und Wasser sind von Anbieter zu Anbieter verschieden. Außerdem steigen sie stetig an. Das im Hartz-IV-Satz dafür vorgesehene Geld wird aber nur selten angeglichen”, erläutert Jasper.
Alles was außerhalb der Pauschale liege, müsse der Leistungsbezieher aus eigener Taschen zahlen. Genau diese Regelung treibe viele Menschen in die Schuldenfalle.
Doch auch das Nichtwissen vieler Betroffener sei Jasper zufolge ein großes Problem:
“Der Großteil unserer Klienten kennt sich schlicht und einfach nicht mit dem Thema Stromverbrauch aus. Egal ob es dabei um Hartz-IV-Empfänger, Alleinerziehende oder Auszubildende in ihrer ersten eigenen Wohnung handelt: Nur die Wenigstens wissen, wie viel Geld ihr Kühlschrank im Monat verschlingt, ob es 150 oder nur 30 Euro sind.”
Jasper und seine Kollegen klären die Menschen auf. Mit dem Projekt “Stromspar-Check“ unterstützt die Caritas die Bezieher von Niedrigeinkommen dabei, den Stromverbrauch zu reduzieren und Stromkosten zu sparen:
“Wir beraten sie wiederum, wie sie hohe Strompreise vermeiden können und welche Anbieter die passenden für ihren persönlichen Verbrauch sind. Wichtig ist, dass man sich frühzeitig meldet."
Denn es ist nicht so, als ob die Versorgungsanbieter einfach Strom und Wasser abdrehen. Natürlich machen sich die Unternehmen auf sich aufmerksam.
Wer jedoch Briefe und Mahnungen zu lange ignoriert, dem sitzt früher oder später tatsächlich im Dunkeln. Und danach bei Menschen wie Martin Jasper in der Beratung.