In vielen Gebieten der Erde verwandeln sich einst fruchtbare Landschaften allmählich in lebensfeindliche Ödnis. Quellen ver- siegen, Böden versalzen, Äcker versanden. Und häufig trägt der Mensch daran die Schuld. Der Geograf und Politikwissenschaftler Alexander Erlewein erklärt, weshalb die globale Verwüstung so stark zunimmt – und welche Maßnahmen wirklich helfen können.
Autoren: Rainer Harf, Sebastian Witte

GEOkompakt: Herr Dr. Erlewein, in der Wüstenforschung beschäftigen sich viele Wissenschaftler heute mit dem Phänomen der Desertifikation. Worum handelt es sich dabei?
Dr. Alexander Erlewein: Darunter versteht man die Schädigung oder Zerstörung von Boden und Vegetation in Trockengebieten – und damit eine zunehmende Verödung. Vor allem die Randzonen der Wüsten sind davon betroffen. Im Idealzustand gedeihen dort Gräser, Büsche und vereinzelt Bäume, mal sind die Flächen dichter bewachsen, mal loser. In jedem Fall aber hat die Vegetation eine entscheidende Schutzfunktion für den Boden. Denn ist der Bewuchs erst einmal stark reduziert, können Wind und Wasser massiv angreifen. Der wenige Oberboden wird dann oft ganz schnell, binnen weniger Jahre, ausgeweht oder weggespült. Die Landschaft verwüstet. Und in vielen Fällen trägt daran der Mensch die Schuld.
Inwiefern?
Ein Beispiel ist die Sahelzone, der südliche Rand der Sahara, wo es unter anderem aufgrund von Überweidung zur Desertifikation kommt: Ziegen, Schafe und Rinder fressen die wenige Vegetation vielerorts weg, sodass oft nichts mehr nachwachsen kann. Dadurch ist der Boden der Erosion dann schutzlos ausgesetzt. Auch durch zu intensive ackerbauliche Nutzung kann es in Trockengebieten zur Landverödung kommen, vor allem durch starkes Pflügen. Dadurch wird der Boden in jenen sensiblen Randzonen der Wüsten angreifbarer.
In den USA hat es zum Beispiel in den 1930er Jahren Versuche gegeben, im großen Stil Ackerbau zu betreiben, mit fatalen Folgen für Mensch und Umwelt: Ganze Landstriche, die für eine derart intensive Bewirtschaftung nicht geeignet waren, verwandelten sich nach lang anhaltenden Dürren in Ödland. Der nackte Boden war der Winderosion schutzlos ausgesetzt. Ähnliches geschah während der Sowjetherrschaft in Zentralasien, etwa in der Region um den Aralsee, wo viele Trockengebiete durch zu intensive landwirtschaftliche Nutzung und falsche Bewässerung vollständig verwüstet wurden und sich bis heute nicht erholt haben.
Da in betroffenen Regionen die Fruchtbarkeit der Böden verloren geht, werden die landwirtschaftlichen Erträge immer geringer. Im Extremfall sehen sich die Menschen gezwungen, aus angestammten Gebieten abzuwandern. Dadurch kann Desertifikation die soziale Stabilität ganzer Regionen ins Wanken bringen. Und am Ende führt sie auch noch zu einem Verlust der tierischen und pflanzlichen Artenvielfalt.
Welche Gebiete sind besonders betroffen?
Die Schädigung von Boden ist eine globale Herausforderung; am stärksten betroffen sind Trockengebiete in Zentralasien sowie südlich der Sahara, aber zum Teil auch im Mittelmeerraum. Auf knapp einem Viertel der Landoberfläche der Erde hat in den vergangenen 25 Jahren – in unterschiedlichem Maße – Landverödung stattgefunden. Die Lebensgrundlage von mehr als 1,5 Milliarden Menschen ist dadurch gefährdet. Und die Lage verschärft sich weiter: Jährlich gehen rund zwölf Millionen Hektar landwirtschaftliche Fläche durch Erosion verloren – etwa ein Drittel der Fläche Deutschlands. Schätzungen gehen davon aus, dass über 70 Prozent aller Trockengebiete von Desertifikation betroffen sind.
Was treibt die Zerstörung an?
Im Vordergrund steht eine nicht an den Standort angepasste Landnutzung, die die vorhandenen Boden- und Wasserressourcen überstrapaziert. Die tiefer liegenden Ursachen sind sozioökonomischer Natur. Gerade viele der besonders stark von Desertifikation betroffenen Länder haben ein extrem hohes Bevölkerungswachstum, zum Beispiel Niger – mit der weltweit höchsten Geburtenrate. Dadurch steigt der Bedarf an Nahrungsmitteln und somit der Druck auf die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Hinzu kommt die steigende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten weltweit.
Die entsteht vor allem deshalb, weil immer mehr Fleisch konsumiert wird und zudem ein großer Teil der Ernte nicht für Ernährung, sondern zur Energieproduktion oder als Rohstoff in der Industrie verwendet wird. Das führt – global gesehen – dazu, dass sich landwirtschaftliche Flächen eben auch in jene Gebiete ausdehnen, die für eine intensive Landwirtschaft denkbar ungeeignet sind. Und in denen die Gefahr der Desertifikation besonders hoch ist. Ein weiteres Problem besteht darin, dass in vielen betroffenen Regionen die Rechte der Landbesitzer nicht ausreichend geklärt sind.
Was ist die Folge?
Um eine landwirtschaftliche Fläche nachhaltig zu bewirtschaften, sind gewisse Investitionen nötig: etwa wenn es darum geht, Terrassen anzulegen, kleine Steinwälle für die Wasserregulierung zu bauen oder Weideflächen zu rotieren. Die Bereitschaft dafür ist natürlich nur vorhanden, wenn ein Bauer sicher sein kann, dass er die Fläche in der nächsten Saison auch noch bewirtschaften darf. Tatsächlich sind diese Landrechte in vielen von Desertifikation betroffenen Regionen eben nicht gesichert – mit der Folge, dass Ressourcen im Zweifel kaum geschont, Flächen wenig nachhaltig genutzt werden.
Welche Rolle spielt der Klimawandel?
Der treibt Erosionsprozesse vor allem dadurch voran, dass extreme Wetterereignisse zunehmen. Außergewöhnliche Dürren lassen Böden etwa noch stärker austrocknen als sonst und führen so dazu, dass sie besonders leicht ausgeweht werden können – vor allem dann, wenn es keine schützende Vegetationsdecke gibt. Starkregen wiederum ist häufig mehr Fluch als Segen für ein Trockengebiet: Denn bevor das Wasser dann überhaupt in den Boden eindringen kann, spült es ihn mitunter davon.
Wie lassen sich gefährdete Regionen schützen?
Grundsätzlich geht es immer darum, die Ressourcen Boden und Wasser standortgerecht zu nutzen. Bei der Viehhaltung bedeutet das etwa: Man sollte Weideflächen beständig wechseln, genaue Pläne erarbeiten, wann wer wie lange welche Fläche nutzen darf – um so der Vegetation Zeit für die natürliche Regeneration zu lassen. Beim Ackerbau geht es um nachhaltiges Landmanagement. Drei Prinzipien sind relevant. Erstens: Bauern sollten darauf achten, dass ihre Böden ganzjährig bedeckt sind, zum Teil auch mit Ernteresten, die auf den Feldern verbleiben, um den Boden zu schützen. Zweitens: Sie sollten die Böden minimal bearbeiten, insbesondere möglichst wenig pflügen. Drittens: Sie sollten die angebauten Pflanzen möglichst häufig wechseln, das laugt den Boden weit weniger aus.
Das komplette Interview finden Sie in GEOkompakt "Die Magie der Wüste". Dort verrät Dr. Alexander Erlewein auch, ob er ein Ende der Verödung für möglich hält und welche Maßnahmen bereits Früchte tragen.
